Ein Beratungsgremium feiert Geburtstag – und mit ihm die verfasste Elternmitwirkung
Eigentlich soll ja mit 66 Jahren laut Udo Jürgens das Leben anfangen. Aber wer feiert schon ein Schnapszahl-Jubiläum? Da begehen wir lieber den 60. Jahrestag der Institutionalisierung des Landeselternbeirats und werfen einen Blick zurück – und voraus.
Volljährig bei der Geburt
Als der Landeselternbeirat als gesetzlich verankertes Beratungsgremium des Kultusministeriums das Licht der Welt erblickte, hatte er schon 18 Jahre auf dem Buckel. Ähnlich wie unsere Kolleginnen und Kollegen der frühkindlichen Bildung sich vor einigen Jahren als „LEB-K“ ohne gesetzliche Grundlage zusammenschlossen und daran arbeiteten, im Frühjahr 2025 endlich gesetzlich verankert und institutionalisiert zu werden, war auch die Entstehungsgeschichte des Landeselternbeirats geprägt von Eigeninitiative und langem Atem.
Ab 1947 gab es die Vorgänger-Vereinigung, die sich dann Anfang der 50er-Jahre den Namen „Landeselternbeirat“ gab. Luise Kölmel war es, die den Zusammenschluss orchestrierte und die Bemühungen kanalisierte, bis schließlich Elternmitwirkung zentral geregelt in Gesetze und Verordnungen Eingang fanden.
Im November 1965 wurde sie nach vielen Jahren Leitung der „Arbeitsgemeinschaft Landeselternbeirat“ dann zur ersten Vorsitzenden des „Beratungsgremiums Landeselternbeirat“ gewählt.
Institutionalisierte Elternmitwirkung
Zwischen der Geburtsstunde Baden-Württembergs und 1965 war die Schullandschaft genauso heterogen wie die Elternmitwirkung. Ihre Rechte und Pflichten waren nicht sehr detailliert geregelt; und die Mitwirkung beschränkte sich auf Klassen- und Schulebene. Zwar hatten sich in größeren Städten Elternbeiratsgemeinschaften gegründet, aus denen sich der LEB-Vorgänger speiste – offiziell geregelt war das allerdings nicht. Vielmehr schienen viele aktive Eltern den Eindruck zu haben, dass Elternvertreter eher als Feigenblatt dienten und je nach Gusto der Schulleitung mal mehr und mal weniger intensiv beteiligt wurden.
Das im Mai 1964 verabschiedete „Gesetz zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens“ setzte dann die Basis für die Verankerung der Eltern-Mitwirkung. Es regelte alles von der Klassenpflegschaft über den Elternbeirat, den Gesamtelternbeirat und Landeselternbeirat bis hin zur Vorläuferin der Schulkonferenz, damals noch Schulpflegschaft genannt. Es trat im April 1965 in Kraft und wurde sofort darauf ergänzt durch die „Verordnung des Kultusministeriums über die Elternbeiräte, Gesamtelternbeiräte, den Landeselternbeirat sowie die Klassen-, Fachgruppen-, Abteilungs- und Schulpflegschaften an öffentlichen Schulen“. Mit diesem Vorläufer der heutigen „Elternbeiratsverordnung“ war landesweit an allen Schulen die elterliche Mitbestimmung gleich geregelt – und alle Unterschiede in den diversen Schularten der drei ehemaligen Landesteile waren vereinheitlicht.
Der Landeselternbeirat über sechs Jahrzehnte
Zwei Jahre nach Gründung des Landeselternbeirats erschien 1967 die erste „Schule im Blickpunkt“. Das Archiv der Zeitschrift vermittelt einen unschätzbaren Einblick in den LEB über die Jahre:
- Was hat den Landeselternbeirat besonders beschäftigt?
- Was sind bildungspolitische Schwerpunktthemen gewesen?
- Wie war die Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium?
- Wie aktiv war das Gremium über seine Beratungsfunktion hinaus?
Dauerbrenner waren schon immer und bleiben wohl für alle Tage die Themen „Lehrkräftemangel“ und „Schulbauinvestitionen“. Wahre Ausdauer legen auch die „Lernmittelfreiheit“ bzw. ihr Ignorieren durch Schulen und Schulträger, oder die „Schülerbeförderung“ in all ihren Facetten von nicht existent bis viel zu teuer an den Tag. Das Gute daran: Auch bei Zeitreisen wäre man somit stets arbeitsfähig und im Thema ...
Ist der LEB ein Politik-Sprungbrett?
Nicht erst seit Saskia Esken als ehemaliges LEB-Vorstandsmitglied SPD-Parteichefin im Bund wurde, munkelte man: Wer im LEB was wird, will politisch was werden. Aber stimmt das?
Ehemalige Vorsitzende des Landeselternbeirats wurden Landtags-, Bundestags- und Europaparlaments-Abgeordnete. Mit Marianne Schultz-Hector hat es ein ehemaliges LEB-Mitglied gar zur Kultusministerin gebracht. Aber die überwältigende Mehrheit der Mitglieder aus sechs Jahrzehnten hatte keine politische Karriere im Sinn. Den LEB-Mitgliedern geht es primär um die Sache und das ehrenamtliche Engagement für unsere Kinder. Und darum, nie locker zu lassen, nie müde zu werden, immer für die Beteiligung und die Mitbestimmung einzustehen.
Engagement sichtbar machen
Der LEB feiert – aber Geburtstag hat ja auch die institutionalisierte Elternmitwirkung im ganzen Land. Aus diesem Grund haben wir Schulleitungen angeschrieben: Mit unserer Bitte, ganz besonders verdiente „Elternbeiräte im Land“ für eine Ehrung anlässlich unseres Jubiläums zu nominieren, haben wir offene Türen eingerannt. Über 100 Einsendungen haben uns erreicht. Sie sprechen von so viel Wertschätzung und Dankbarkeit, von so viel Unterstützungswillen und ernsthafter Mitwirkung, dass wir uns jetzt schon sehr auf diese Ehrung freuen.
60 Jahre Mitbestimmung sind gleichzeitig auch Anlass, den Eltern in Bayern und NRW zu wünschen, dass auch sie institutionalisierte Elternmitwirkung auf allen Ebenen erhalten. Sie sind auch Anlass, diese Mitbestimmung bei uns immer wieder einzufordern. Immer wieder darauf zu drängen, dass Beratung erfolgt, bevor Entschlüsse gefällt werden. Zu betonen, dass die besten Bildungsentscheidungen nicht auf Ideologie, sondern auf gut und mit allen austarierten Kompromissen beruhen. Für unsere Kinder.
Liste der LEB-Vorsitzenden 1965 – 2025
1965 – 1969Luise Kölmel ✝
2005–2010Christiane Staab
1969–1972Gisela Freudenberg ✝
2010Matthias Fiola
1972–1981Alois Graf von Waldburg-Zeil ✝
2011Christian Bucksch
1981–1987Sieglinde Krichbaum ✝
2012–2014Theo Keck
1987–1993Renate Heinisch
2014–2020Carsten Rees
1993–1996Inge Grüninger
2020–2023Michael Mittelstaedt
1996–1999Konrad Ruf
2023–Sebastian Kölsch
1999–2005Elke Picker ✝