»Nein« zu aktuellen Volksanträgen
Der LEB zu „G9, aber besser“ & „Nicht ohne unsere Realschulen“
Basisdemokratischer Erfolg kann beflügeln. Das ist wohl Ursache für zwei Volksanträge im Bildungsbereich, die aktuell fleißig die Werbetrommel rühren. Der Erfolg von „G9 jetzt BW“, der letztendlich zur Wiedereinführung von G9 zum kommenden Schuljahr geführt hat, schürt Hoffnung: Volkes Stimme ist mächtig, Volksanträge ein funktionierendes Instrument. Der Landeselternbeirat (LEB) hatte diesen Volksantrag gutgeheißen. Wie verhält es sich mit den zwei aktuellen Volksanträgen?
G9, aber besser
Ohne die ursprünglichen Initiatorinnen des ersten, erfolgreichen G9-Volksantrags hat ein Teil der damaligen Mitstreiterinnen und Mitstreiter weitergemacht. Im Dezember reichten sie einen neuen Volksantrag ein, der eine Änderung der jetzt getroffenen G9-Regelungen erreichen möchte. Rationale für diesen Vorstoß ist vor allem die fehlende Wechselmöglichkeit der jetzigen gymnasialen Kinder und Jugendlichen jenseits der aktuellen 5. Klassen, sowie die Stundentafel, die insbesondere bei der zweiten Fremdsprache und der Folge der dazukommenden Fächer – auch unserer Meinung nach – nicht optimal ausgefallen ist.
Das Hauptargument der Initiative für die zusätzliche Wechselmöglichkeit nach Klasse 6 lautet „Keine Corona-Verlierer“. Im LEB haben wir uns mit dieser Argumentation auseinandergesetzt, sehen dabei aber vor allem folgende Probleme:
- Als Corona-Verlierer“ im schulischen Kontext sind alle Kinder zu bezeichnen, die aktuell in Klasse 5 oder höher sind. Sie waren beim zweiten Lockdown mindestens in der ersten Klasse.
- Gymnasialen G8-Stress zusätzlich zu den Corona-Einschränkungen erlebten alle Kinder, die aktuell mindestens in Klasse 9 sind; sie waren beim zweiten Lockdown in Klasse 5.
- Wenn der Volksantrag im nächsten Dezember endet, kann sich – wenn er erfolgreich sein und die Politik den Gesetzentwurf durchwinken sollte – frühestens zum Schuljahr 26/27 eine Änderung herbeigeführt werden.
- In diesem Schuljahr sind die jüngsten „gymnasialen Corona-Kinder“ jedoch bereits in der Kursstufe, in der es ohnehin keinen Unterschied zwischen G8 und G9 gibt.
- Diejenigen, die den Corona-Stress in den schwierigen G8-Klassenstufen 7 bis 10 erlebt haben, sind dann sogar bereits nicht mehr auf dem Gymnasium.
Richtig ist: Corona wirkt auch heute noch nach und viele Kinder und Jugendliche haben Defizite, deren Bearbeitung die ganze Anstrengung des Bildungssystems in Anspruch nehmen sollte. Als Gremium, das alle Schularten im Blick hat, sagen wir aber auch ganz klar: Das muss dann auch für alle Schularten gelten und darf nicht auf die Schulart Gymnasium beschränkt sein.
Die Neuauflage des G9-Volksantrags kann der LEB daher nicht unterstützen.
Nicht ohne unsere Realschulen
Wahlweise „es geht um die Wurst“ bzw. „den Senf dazugeben“ – diese Assoziation ruft das visuelle Motiv des Realschul-Volksantrags hervor, der vom Realschullehrerverband (RLV) auf dessen Website intensiv beworben wird. Wer diesen Volksantrag unterschreibt, fordert damit die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung nicht nur für die Schulart Gymnasium, sondern auch für die Realschule.
Das Hauptargument der Initiatoren lautet sinngemäß: Die Verbindlichkeit sichert die Existenz und Eigenständigkeit des gegliederten Schulsystems.
Bereits bei der Vorstellung des Volksantrags in der Landespressekonferenz am 8. November 2024 hatte sich der LEB kritisch geäußert, da der Zusammenhang zwischen Verbindlichkeit (also tendenziell weniger Schülerinnen und Schülern) und Existenzsicherung einer Schulart (für die es idealerweise mindestens gleich viel, tendenziell aber mehr Schülerinnen und Schüler bedarf) nicht gänzlich selbsterklärend erscheint.
Als LEB ist unsere Haltung daher zu diesem Volksantrag:
- Wir lehnen die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung grundsätzlich ab und plädieren für mehr Information und Aufklärung der Eltern.
- Wir sehen aktuell außer einem Vorschlag eines Think-Tanks keinerlei Regierungsbestrebungen, die drei Schularten neben dem Gymnasium in eine einzige Säule zusammenzufassen, weshalb der nahende Tod der Realschulen, wie vom RLV dargestellt, eher unwahrscheinlich scheint.
- Uns erscheint es als kontraproduktiv, den Zugang zu einer sehr guten Schulart zu beschränken, die für viele Jugendliche die Möglichkeit zum Aufstieg bietet.
- Eine Schulart beweist ihre Notwendigkeit und Qualität nicht durch einen scheinbaren Exklusivitäts-Charakter, sondern durch innovative Schulentwicklung und hervorragende pädagogische Arbeit.
Auch diesen Volksantrag können wir als LEB daher guten Gewissens nicht unterstützen.