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Neuregelung und erste Eindrücke zur „Grundschulempfehlung“

Ein Beitrag von Andreas Zoller
Rechtsanwalt

Die Grundschulempfehlung ist wie eine Welle über viele Familien hereingebrochen und hat für viel Unruhe gesorgt und aufgrund ihrer kurzfristigen Umsetzung auch zahlreiche Planungen zerstört. Hintergrund der überstürzten Regelung war die gleichzeitig geplante Rückkehr zu G9. Als Regulativ kam dann wieder eine verbindliche Grundschulempfehlung ins Spiel, da man (zugegebenermaßen zu Recht) befürchtete, dass ansonsten die Gymnasien überlaufen werden, wenn mehr Familien es mit dem vermeintlich einfacheren G9-Gymnasium einfach mal versucht hätten.

Dies hatte zur Folge, dass im ersten Halbjahr des Schuljahres 2024/2025 zwar noch die alten Regelungen einer unverbindlichen Grundschulempfehlung galten, es aber plötzlich hieß, dies werde geändert. Viele Eltern hofften darauf, dass das Ganze noch um ein Jahr verschoben wird, und waren sich auch des Ausmaßes der geplanten Änderungen nicht bewusst.

Relevant wurden die beabsichtigten Neuregelungen erstmals mit dem Kompasstest, für den es zu dieser Zeit noch gar keine Regelung gab. Dieser fiel in den öffentlichen Schulen und staatlich anerkannten Privatschulen denkbar schlecht aus, so dass vielen Eltern hierdurch erstmals bewusst wurde, dass es nunmehr auf eine verbindliche Grundschulempfehlung ankommt und man die Noten der Kinder genauer beobachtete. Noch mehr Unruhe gab es in nicht anerkannten Privatschulen und den Waldorfschulen, da die Eltern bemerkten, dass ihre Kinder am Kompasstest nicht teilnehmen konnten und es plötzlich hieß, die Kinder würden auch keine Grundschulempfehlung erhalten, sondern könnten den Zugang zum Gymnasium nur über den Potenzialtest erhalten.

Nach langem hin und her, ob die Regelungen für das Schuljahr 2024/2025 überhaupt noch eingeführt werden sollten und welchen konkreten Inhalt diese hätten, traten schließlich am 29.01.2025 die Änderungen im Schulgesetz und am 05.02.2025 jene an der Aufnahmeverordnung in Kraft. Aus diesem Grunde wurden die Schulen auch aufgefordert, die Konferenzen erst am 06.02.2025 abzuhalten und die Grundschulempfehlungen am 07.02.2025 auszugeben.

Es gibt demnach 3 Möglichkeiten eines Zugangs auf das Gymnasium:

  • Durch den Kompasstest,
  • durch die pädagogische Gesamtwürdigung
  • oder durch den Potenzialtest.

Das Ganze jeweils vorbehaltlich des Elternwillens, dass Sie dies auch umsetzen wollen, d.h. es wird natürlich niemand auf das Gymnasium gezwungen.

Kompass 4

Was den Kompasstest anbelangt, gab es Diskussionen, dass dieser zu schwer war und die Kinder nicht hinreichend vorbereitet wurden. Die Politik ließ sich zumindest insofern darauf ein, dass man zumindest bei Mathematik künftig nachbessern wolle. Im Übrigen sei dies eben eine zentrale Lernstandserhebung, die man sowieso vorgesehen habe und der man nunmehr nachträglich ein „Upgrade“ verpasste, so dass diese auch eine Möglichkeit für einen Gymnasialzugang darstellt. Juristisch kann man durchaus bemängeln, dass der Kompasstest nicht nur stattfand, sondern auch juristische Folgen aufwies, bevor er geregelt wurde, was ein auch politisch äußerst ungewöhnliches Vorgehen war.

Hinsichtlich der pädagogischen Gesamtwürdigung wurde dann peinlich genau darauf geachtet, dass erst über diese entschieden wurde, nachdem die neuen Regelungen in Kraft gesetzt wurden. Juristisch wird behauptet, es handele sich lediglich um einen Fall einer „unechten Rückwirkung“. Die Rechtsfolge der Zugangsbeschränkung für das allgemeinbildende Gymnasium träte nämlich nicht für einen Zeitpunkt vor Verkündung des Änderungsgesetzes ein, sondern für die Gymnasialanmeldung ab März 2025. Erst hier bewirke die gesetzliche Neuregelung, dass Schüler ohne einen der drei Zugangsnachweise nicht in das allgemeinbildende Gymnasium aufgenommen werden dürfen. Insofern ist auch hier bemerkenswert, dass viel Energie in die späteren Erklärungen gesteckt wurde, anstatt die Regelungen einfach rechtzeitig in Kraft zu setzen oder um ein Jahr zu verschieben…

Pädagogische Gesamtwürdigung

Die Regelungen zur pädagogischen Gesamtwürdigung (also dem Äquivalent zur bisherigen Grundschulempfehlung) enthalten nach wie vor die alte Grundregel:

  • Ein Deutsch-/Mathematik-Schnitt „2,5“ oder besser, berechtigt „in der Regel“ für den Gymnasialzugang.
  • Ein Deutsch-/Mathematik-Schnitt „2,6“ oder schlechter, berechtigt „in der Regel“ nicht für den Gymnasialzugang.

Daneben gab es als weiteres Kriterium, dass wenn eine dieser beiden Noten schlechter als „3,0“ ist, auch in diesem Fall „in der Regel“ kein Gymnasialzugang ausgesprochen werden darf.

Bereits diese Regelungen haben zu viel Verwirrung in den Schulen geführt:

  • Zum einen wollten manche Schule hieraus folgern, dass sie den Schnitt nach den Viertelnotenschnitten des Halbjahreszeugnisses ermitteln wollten, während andere Schulen nach wie vor auf Dezimalnoten abstellten, wie dies in der Vergangenheit üblich war und auch genauer ist. 
  • Zum anderen verstanden einige Schulen die Formulierung falsch und wollen im Falle, dass eines der beiden Fächer schlechter als „3,0“ bewertet wurde, per se keine Gymnasialempfehlung erteilen, was dem Text der Norm widerspricht.

Richtig ist also,

  • dass bei einem Gesamtschnitt von „2,5“ oder besser und keinem Fach schlechter als „3,0“  „in der Regel“ die Empfehlung E-Niveau erteilt werden muss,
  • dass bei einem Gesamtschnitt von „2,6“ oder schlechter oder einem Fach schlechter als „3,0“ „in der Regel“ keine Empfehlung auf E-Niveau zu erteilen ist.

Im weiteren Procedere kam es dann zu weiteren Missverständnissen:

Die pädagogische Gesamtwürdigung sollte nämlich auf Basis der in Klasse 4 gezeigten schulischen Leistungen und der Einschätzung der überfachlichen Kompetenzen unter Berücksichtigung der Kompetenzmessung nach § 6 Absatz 1 Satz 4 erfolgen:

  • Bei den schulischen Leistungen wollten viele Schulen nur auf die Noten in Deutsch und Mathematik abstellen, während (wie bisher) natürlich vor allem auch die Leistungen in Sachunterricht und der Fremdsprache durchaus eine Rolle spielen werden, wenn es zu einer Prognose der Fähigkeiten kommt.
  • Auch die überfachlichen Kompetenzen wurden nicht näher definiert, was zu weiterer Verunsicherung beitrug. In der Praxis wird man weiterhin vor allem auf die schulische Entwicklung sowie das Lern- und Arbeitsverhalten abstellen müssen.
  • Zur größten Verwirrung trug die Erwähnung des Kompasstests im Zusammenhang mit den überfachlichen Kompetenzen bei, die dort gar nicht abgefragt wurden. Zu Unrecht wollten einige Schulen deshalb auch den Kompasstest einbeziehen, obwohl dieser eine eigenständige Säule darstellt.

Bei der pädagogischen Gesamtwürdigung ist es nunmehr so:

  • Bei einem Gesamtschnitt von „2,5“ oder besser und keinem Fach schlechter als „3,0“ hat die Schule darzulegen, warum über die sonstigen schulischen Leistungen und überfachlichen Kriterien ausnahmsweise keine Empfehlung auf E-Niveau erteilt werden sollte.
  • Bei einem Gesamtschnitt von „2,6“ oder schlechter oder einem Fach schlechter als „3,0“ können die Eltern darlegen, warum über die sonstigen schulischen Leistungen und die überfachlichen Kriterien ausnahmsweise eine Empfehlung auf E-Niveau erteilt werden sollte. 

Potenzialtest

Hinsichtlich der dritten Stufe „Potenzialtest“, gab es dann erneut keine klaren Regelungen in Schulgesetz und Aufnahmeverordnung, so dass niemand wusste, was konkret auf ihn zukam. 

Getestet wurde schließlich Deutsch und Mathematik sowie ein Logikteil, den man nunmehr gleichsam der Kategorie „überfachliche Kompetenzen“ unterwarf. Insgesamt dürfte sehr viel von Zufälligkeiten abhängen, da die Kinder in der Mitte des 4. Schuljahres sind und damit naturgemäß in verschiedenen Fächern auf verschiedenen Lernfortschritten stehen, was naturgemäß wiederum Auswirkungen hat, ob man mit den gestellten Aufgaben besser oder schlechter zurechtkommt. Die größte Wunderpackung war aber natürlich der Logiktest.

Albern ist auch, dass in Baden-Württemberg oftmals die Einsicht in die Prüfungsunterlagen verwehrt wird. In Bayern kann man zu der äquivalenten Regelung des Probeunterrichts sogar die Aufgaben der Vorjahre im Internet nachlesen und sich vorbereiten. Hierzulande wird demgegenüber verweigert, seinen eigenen Test einsehen zu können, was unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten natürlich unzulässig ist.

Fazit

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass nach diesem Rumpelstart nunmehr zumindest für die künftigen Jahrgänge Planungssicherheit besteht:

  • Es steht zu erwarten, dass der Kompasstest überarbeitet wird, so dass dieser im kommenden Schuljahr eine bessere Chance auf den Gymnasialzugang darstellt.
  • Bei der Grundschulempfehlung sollte man frühzeitig versuchen, Transparenz herzustellen und Einwände zu erheben. Natürlich wird auch weiterhin eine nachträgliche Beschwerde möglich bleiben.
  • Beim Potenzialtest kann man künftig zumindest auch im Bereich „Logik“ das Kind vorbereiten.  

Weiterführende Infos
Unser Gastautor hat eine Website rund um das Thema erstellt:
kurzlinks.de/navi4

Zum Autor
Rechtsanwalt Andreas Zoller ist seit 2007 einer der führenden Experten im Schulrecht. Durch seine umfangreichen Online-Ressourcen macht er schulrechtliche Themen für ein breites Publikum zugänglich. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit ist er als Dozent an der Kommunalakademie Deutschland und als Autor aktiv. Seine Schwerpunkte umfassen Schulwahl, Ordnungsmaßnahmen, Mobbing, Nichtversetzung und Inklusion.