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Baden-Württemberg

Umstellung für alle Schüler: Aus Jugendticket wird Deutschlandticket

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Das baden–württembergische Jugendticket, das erst seit dem 1. März gilt, wird nun durch das Deutschlandticket ersetzt. Kritik kommt von Opposition und Elternverbänden.
Veröffentlicht:21.08.2023, 05:00

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Landesweit Bus und Bahn fahren für umgerechnet einen Euro pro Tag, das können junge Menschen mit dem „JugendticketBW“ in Baden–Württemberg seit dem 1. März. Doch nur etwa fünf Monate nach dessen Einführung kündigte das Verkehrsministerium erneut eine Umstellung an: Zum 1. Dezember soll ein rabattiertes Deutschlandticket das Jugendticket ersetzen. Junge Menschen bis 21 Jahre sowie Auszubildende, Studenten und Freiwilligendienstleistende bis 27 Jahre sollen für 365 Euro jährlich dann deutschlandweit den öffentlichen Nahverkehr nutzen können.

Die Umstellung nur so kurz nach der Einführung des Jugendtickets begründet das Verkehrsministerium so: „Zum Zeitpunkt der Entscheidung über das JugendticketBW im März 2022 war das Deutschlandticket nicht absehbar.“ Als Anfang November 2022 die Entscheidung zum Deutschlandticket fiel, sei die Planung des Jugendtickets bereits zu weit fortgeschritten gewesen, um sie noch zu stoppen.

Kommunen könnten dabei sparen

Allerdings sei bereits damals der Plan entstanden, das Jugendticket in ein rabattiertes Deutschlandticket zu überführen, „sobald die diesbezüglichen Rahmenbedingungen klar und insbesondere die finanziellen Folgen so weit abgeprüft sind“, sagt ein Sprecher des Landkreistages. Bislang kalkulierte das Land für das Jugendticket 327 Millionen Euro bis einschließlich 2025, der Finanzierungsbeitrag der Kommunen sollte bei etwa 140 Millionen Euro liegen. Dieses Geld soll nun in das rabattierte Deutschlandticket fließen.

Die Kommunen könnten dabei sogar sparen. „Prognosen legen nahe, dass sich der bisherige Finanzierungsaufwand durch die Umstellung reduziert“, heißt es vonseiten des Landkreistages. Was ändert sich für das Land? Konkrete Angaben dazu kann das Verkehrsministerium nach eigener Aussage erst Ende des Jahres machen. Fest steht: Den Zuschuss für das Deutschlandticket ganz generell teilen sich Bund und Länder. An der zusätzlichen Vergünstigung für das rabattierte Deutschlandticket für Jugendliche in Baden–Württemberg bleiben das Land mit 70 Prozent und die Kreise mit 30 Prozent beteiligt.

Hoher Aufwand für Behörden

Hinzu kommt der Verwaltungsaufwand, der durch die zwei neuen Tickets anfällt. Vor der Einführung des Jugendtickets hatten die Landkreise unter anderem Gremienbeschlüsse einholen, Förderanträge stellen und die Abrechnung der Tickets anpassen müssen. Der erneute Verwaltungsaufwand durch die Umstellung auf das Deutschlandticket sei aktuell noch nicht absehbar. Allerdings könnten laut Verkehrsministerium und Landkreistag viele Regelungen übernommen werden.

Außerdem würde das rabattierte Deutschlandticket die Tariflandschaft in Baden–Württemberg vereinfachen und einen weiteren Anreiz für den Umstieg auf den ÖPNV schaffen. Für FDP und SPD ist die Umstellung längst überfällig. Die Liberalen hatten dies bereits kurz nach dem Start des bundesweiten Deutschlandtickets gefordert. Das Jugendticket sei „eine teure Insellösung“ und führe zu Mitnahmeeffekten, nicht aber zum Umstieg auf den ÖPNV, sagt Hans Dieter Scheerer, ÖPNV–Sprecher der FDP–Landtagsfraktion. Ähnlich äußert sich von der SPD–Fraktion Verkehrsexperte Hans–Peter Storz: „Andere Bundesländer waren hier deutlich schneller. Junge Menschen müssen nun insgesamt sieben Monate auf das vergünstigte Deutschlandticket warten.“

Landeselternbeirat will kostenlosen ÖPNV

Die AfD sieht in einem preiswerten Ticket eine Entlastung für Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs. Diese bringe aber wenig, „wenn der ÖPNV sich als ungeeignet entpuppt, um zuverlässig zur Vorlesung oder zur Arbeitsstätte zu gelangen“, sagt der verkehrspolitische AfD–Fraktionssprecher Miguel Klauß. Vorteile biete die Umstellung vor allem für junge Menschen, die in den Randzonen Baden–Württembergs leben und künftig für Fahrten über Ländergrenzen nur noch ein Ticket brauchen.

Der Landesschülerbeirat freut sich nach eigener Aussage über die Entscheidung des Verkehrsministerium. Trotzdem: Das Land könnte beim ÖPNV noch mehr für junge Menschen und Familien tun, findet der Landeselternbeirat in Baden–Württemberg. „365 Euro im Jahr sind immer noch 365 Euro im Jahr. Dabei sollte Schulbildung eigentlich kostenlos sein, das ist schon ein Widerspruch“, sagt der Vorsitzende Sebastian Kölsch. Besonders im ländlichen Raum könnten die Fahrkosten einkommensschwächere Familien bei Bildungsentscheidungen beeinflussen. „Es kann durchaus dazu kommen, dass eine Familie ihr Kind trotz eines höheren Bildungsniveaus eher auf die Werkrealschule im eigenen Dorf schickt als auf ein weiter entferntes Gymnasium“, sagt Kölsch.

In Bayern ist es kostenlos

Diese Gefahr sieht auch Stephan Ertle, Sprecher der Initiative Eltern für Elternrechte, die sich seit Jahren für einen kostenlosen Schultransport für Schüler im Alter von sechs bis 16 Jahren einsetzt. Für diese Zielgruppe sieht er in der Umstellung auf das rabattierte Deutschlandticket keinen Mehrwert. „Es ist Augenwischerei: In diesem Alter fahren die Schüler vielleicht im eigenen Dorf zur Oma oder zu einem Freund, aber sicher nicht mit dem Zug durch ganz Deutschland.“ Für gleiche Bildungschancen müsste der ÖPNV für Schüler kostenfrei sein, sagt Ertle.

In Bayern ist das schon lange der Fall: Seit der Jahrtausendwende fahren Schüler bis zur zehnten Klasse kostenlos. Allerdings müssen Grundschüler dafür mehr als zwei, Schüler weiterführender Schulen mehr als drei Kilometer von der Schule entfernt wohnen. Für Auszubildende, Studenten und Freiwilligendienstleistende hat das Verkehrsministerium das bayrische Ermäßigungsticket angekündigt. Ab Herbst sollen Berechtigte damit für 29 Euro im Monat (348 Euro im Jahr) den ÖPNV in ganz Deutschland nutzen können.